Impuls vom 22.02.2013

Die sonntägliche Eucharistiefeier als "Taborstunde" der Woche

Die Sonntägliche Eucharistiefeier als "Taborstunde" der Woche - Hirtenwort des Bischofs zur Österlichen Bußzeit


Liebe Kinder, liebe Jugendliche und erwachsene Schwestern und Brüder im Herrn!

Dank für die Zeichen der Verbundenheit und das herzliche Willkommen
1. Zum ersten Mal grüße ich Euch und Sie alle auf diesem Weg herzlich als Ihr neuer Bischof. Ich freue mich darauf, bald auch einmal persönlich bei Ihnen sein zu können. Die Vorbereitungen für die Pastoralbesuche in den Regionen unseres Bistums laufen schon. Ich bitte Sie freilich noch um ein wenig Geduld, möchte aber die Gelegenheit gleich nützen, um Ihnen und allen Verantwortlichen im Bistum aufrichtig zu danken für den überaus herzlichen, ja liebevollen Empfang, den Sie mir bereitet haben. Die Bischofsweihe, die viele von Ihnen – sei es in Regensburg, sei es über das Fernsehen – mitgefeiert haben, war ein bewegendes Erlebnis, vor allem für mich selbst. Ich durfte spüren, wie durch die Handauflegung der Bischöfe und das Gebet der ganzen Versammlung Gott gewirkt hat. Zugleich habe ich erfahren, dass ich brüderlich in die Gemeinschaft der Bischöfe und mit offenen Armen im Bistum Regensburg aufgenommen bin. Ich danke Ihnen herzlich dafür! Vergelt’s Gott für alles!

Die Verklärung Christi – Offenbarwerden der Herrlichkeit Gottes und des Weges Jesu
2. Meinen ersten Hirtenbrief habe ich bewusst auf den Zweiten Sonntag in der Fastenzeit gelegt: Heute verkündet uns die Kirche das Evangelium von der Verklärung Christi auf dem Berg Tabor. Es ist ein Evangelium, das mir seit langem sehr nahe geht und das auch im Hintergrund meines Wappenspruches aus dem Kolosserbrief steht: "Christus ist unter Euch- ER ist die Hoffnung auf Herrlichkeit" (Kol 1,27).
Das Evangelium nimmt uns mit an den Anfang des Weges Jesu. Er beginnt in Galiläa, im Norden des Heiligen Landes und führt unseren Herrn hinauf nach Jerusalem, wo ihn Verrat, Auslieferung, Verurteilung und schließlich Kreuzigung erwarten. Doch das ist nicht das Ende seines Weges. In der siegreichen Auferstehung von den Toten wird der Herr den Tod bezwingen und uns den Weg freimachen für ein Leben in der ewigen Geborgenheit unseres Schöpfers.

3. Am Beginn dieses Weges nun, so überliefern es uns die ersten drei Evangelien, steht die Verklärung Jesu. Jesus nimmt drei Jünger mit sich auf den Berg Tabor, um im Gebet Gott, seinem Vater, ganz nahe zu sein. Vor den Augen der Jünger umhüllt ihn plötzlich strahlendes Licht. Sie erkennen Mose und Elija neben Jesus, die beiden Menschen, die für den Bund Gottes mit dem Volk Israel, für das Gesetz und die Propheten stehen. Mose und Elija bezeugen, dass Jesus die Erfüllung ihrer Hoffnung ist, auf die sie hin gelebt haben. Sie sprechen mit ihm über sein Ende in Jerusalem, also über sein Leiden und Sterben am Kreuz. Das berichtet der Evangelist Lukas.

4. Papst Benedikt fasst den Sinn dieser Schriftstelle so zusammen: Es werde deutlich, "dass das Grundthema von Gesetz und Propheten die ‚Hoffnung Israels‘ ist, der definitiv befreiende Exodus- dass Inhalt dieser Hoffnung der leidende Menschensohn und Gottesknecht ist" . Im Gespräch mit Mose und Elija werde ferner klar, dass das Leiden des Gottesknechtes Jesu die Rettung bringt, dass es von der "Herrlichkeit Gottes durchdrungen" sei und verwandelt werde "in Licht, in Freiheit und Freude".
Am Beginn des Kreuzweges steht also ein Ereignis vollkommener Lichtfülle und Herrlichkeit über den Niederungen des Alltags und des Kreuzes. Der Vater schenkt dem Sohn einen Augenblick der Klarheit, und den Jüngern schenkt er Orientierung: "Auf ihn sollt ihr hören" (Lk 9,35). In der Verklärung ist für einen Moment die künftige Herrlichkeit vorweggenommen- das Ziel, die österliche Herrlichkeit, strahlt vom Ende des Weges her hinein in die Etappen des Weges, den der Herr vor sich hat. "Christus ist unter Euch- ER ist die Hoffnung auf Herrlichkeit" (Kol 1,27): Dies dürfen die Jünger auf dem Berg Tabor erfahren.

Die Verklärung Christi – Deutungsschlüssel für unseren Lebensweg
5. Dem Philosophen Friedrich Nietzsche wird der Satz zugesprochen: "Wer ein Wozu hat, erträgt fast jedes Wie." Liebe Schwestern und Brüder im Herrn! In Christus ist der Welt und ihrer Geschichte ein "Wozu" verheißen. In seinem Tod und seiner Auferstehung leuchtet das Ziel unseres Lebens auf: Gemeinschaft zu haben mit dem dreifaltigen Gott in der Herrlichkeit seines ewigen Lebens. Darüber hinaus ist er der göttliche Bruder und Freund an unserer Seite, der uns den Kreuzweg vorangegangen ist, um die alltägliche Not weiß und alle unsere Kreuzwege mitgeht.

6. Nun sind auch wir als Kirche unterwegs mit Jesus – wie die Jünger. Auch wir erfahren oft die Widerstände und Schwierigkeiten auf diesem Weg. Deshalb stellt sich für uns die Frage: Wo ist heute der Tabor, der Berg der Verklärung? Wie können wir Anteil bekommen am Geschenk der Lichtherrlichkeit, die uns das Leben bestehen lässt? Wo gewinnen wir die Freiheit, auf ihn zu hören, das Wesentliche zu erkennen und nicht in den Sorgen des Alltags zu ertrinken?

7. In der geistlichen Literatur spricht man von "Taborstunden": kostbare Augenblicke, die man zeitlebens nicht vergisst- Momente, in denen uns unwiderleglich aufgeht, dass es gut ist, da zu sein und Ja zu sagen zu uns und zur ganzen Welt: eine Liebeserklärung- die Geburt eines Kindes- das überwältigende Naturschauspiel eines Sonnenaufgangs in den Bergen- das unverhoffte Gelingen einer schweren Aufgabe, und vieles andere mehr. Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder solche Augenblicke erleben und in Ihrem Herzen bewahren dürfen als Wegzehrung für schwere Tage.

Die sonntägliche Eucharistiefeier als "Taborstunde" der Woche
8. Vielleicht überrascht es Sie, wenn ich jetzt davon spreche, dass uns die Kirche mit jedem Sonntag und der Feier der Eucharistie ein gemeinschaftliches "Taborerlebnis" schenken will.
Jeder Sonntag ist wie ein Ausflug auf den Berg der Verklärung, der uns aus dem mühseligen Grau des Alltags heraushebt und uns eintaucht in die Schönheit und den Glanz der Herrlichkeit Gottes. Der Sonntag möchte uns befreien aus dem oft so beschwerlichen Trott des Alltags und in der Begegnung mit dem lebendigen Gott in der Gemeinschaft der Kirche Sinn und Ziel des Lebens lebendig erhalten.

9. Mitte des Sonntags ist die eucharistische Versammlung. Im Wortgottesdienst spricht der Herr in vom Geist getragenen Menschenworten zu uns. In der Lesung aus dem Alten Testament geben Gesetz oder Propheten Zeugnis für Jesus Christus, so wie Mose und Elija auf dem Berg Tabor. Im Evangelium sind uns die Worte und Taten Jesu selbst überliefert. So haben wir die Möglichkeit, auf ihn zu hören. Am Altar feiern wir das Paschamysterium Jesu, das Geheimnis seines Opfertodes und seiner Auferstehung. Im Anschluss an die Einsetzungsworte, vom Priester in der Person Jesu Christi gesprochen, bekennen wir alle das zentrale Geheimnis unseres Glaubens: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit." Im Brot des Lebens, das der Herr selbst ist, baut er uns immer wieder neu als Kirche auf und stärkt uns für den Weg. "Christus ist unter Euch- ER ist die Hoffnung auf Herrlichkeit" (Kol 1,27): Die Eucharistiefeier ermöglicht uns, diese Zusage am eigenen Leib mit allen Sinnen zu erfahren. Dazu lädt der Herr selbst uns jeden Sonntag ein.

Dank an alle, die zu einer würdigen Feier der Liturgie einen Beitrag leisten
9. Ich danke an dieser Stelle allen, die sich um eine würdige und feierliche Gestaltung unserer Messfeiern und der anderen Gottesdienste bemühen, den Priestern und Diakonen, den Ministrantinnen und Ministranten, den Lektorinnen und Lektoren sowie den Kommunionhelferinnen und –helfern- den Mesnerinnen und Mesnern und allen, die für den Kirchenschmuck Sorge tragen, und nicht zuletzt allen für die Kirchenmusik Verantwortlichen. Wie oft habe ich im Anschluss an den Weihegottesdienst hören dürfen: Es war "herrlich"- das heißt doch: Im gemeinsamen Gebet, in der festlichen Liturgie, im Gesang ist etwas aufgeleuchtet von Gottes Herrlichkeit.

Neubelebung einer christlichen Sonntagskultur
10. Die Eucharistiefeier als Vorgeschmack der himmlischen Herrlichkeit ist die Mitte des Sonntags. Unsere Väter und Mütter im Glauben wussten, dass der Sonntagsgottesdienst begleitet und eingebettet sein muss von sonntäglichen Zeichen und Ritualen. Die Älteren werden sich gewiss noch erinnern an das "Sonntagsgewand". Ein "Sonntagsmahl", das sich vom werktäglichen unterscheidet, gibt es wohl noch in vielen Häusern und Familien. Ich weiß freilich auch, dass es nicht leicht ist, den Sonntag hochzuhalten in Zeiten, in denen das sogenannte "Wochenende" ein ganz neues Freizeitverhalten mit sich bringt. Ich wünsche mir ein neues Bemühen um eine zeitgemäße Sonntagskultur.

11. Als Christen sind wir sonntägliche Menschen: Am Sonntag, dem ersten Tag der Woche, dem Auferstehungstag, stellen wir uns ins Licht Jesu Christi und versuchen, dieses Licht in die neue Woche mitzunehmen. Ich bitte Sie herzlich, in den Familien, in den Pfarrgemeinden, in den Gruppen und Verbänden um eine Verlebendigung der Sonntagskultur zu ringen und gegebenenfalls auch nach neuen Elementen einer zeitgemäßen Sonntagskultur Ausschau zu halten. Vielleicht kann uns dabei auch ein Blick in die Sabbatkultur unserer älteren Brüder und Schwestern aus dem Judentum Anregung und Hilfe sein.

Dank für das Pontifikat Benedikt XVI. und Bitte um das Gebet für Papst und Kirche
12. Liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Heute werden wir im Hochgebet zum letzten Mal an einem Sonntag den Namen von Papst Benedikt nennen. Am kommenden Donnerstag, dem 28. Februar, wird unser Heiliger Vater mit Rücksicht auf seine schwindenden körperlichen und geistigen Kräfte sein Amt in die Hände Gottes zurücklegen. Wir wollen an diesem Tag noch einmal eine besondere Brücke des Gebetes nach Rom schlagen und Gott von Herzen danken für den Dienst, den Papst Benedikt XVI. seit jenem denkwürdigen 19. April 2005 im Weinberg des Herrn geleistet hat. Als Nachfolger des Apostels Petrus hat er dessen Bekenntnis, das für alle Zeit die Grundlage der Kirche ist, in die Gegenwart hineingesprochen- das Bekenntnis des Petrus, der auf die Frage des Herrn, für wen ihn die Apostel denn halten, antwortete: "Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes" (Mt 16,16). Papst Benedikt XVI. hat dieses Bekenntnis furchtlos bekräftigt und mit all den wunderbaren Gaben seines Geistes, seiner Frömmigkeit und Predigtkunst für die Gegenwart und Zukunft ausgelegt. Er wird als der Theolo-genpapst und einer der größten Prediger auf dem Stuhl Petri in die Geschichte eingehen.

13. Wir werden am 28. Februar um 18.30 Uhr im Hohen Dom zu Regensburg mit der Eucharistie den Dank für sein Wirken als Papst verbinden. Wer es sich einrichten kann zu kommen, ist herzlich eingeladen. Sie alle bitte ich, Papst Benedikt und seinen weiteren Lebensweg in Ihr Gebet ein-zuschließen. Bitte beten Sie auch für die ganze Kirche, besonders um den Heiligen Geist für die Kardinäle, die bald aufgerufen sein werden, einen neuen Papst zu wählen.

14. Im Vertrauen auf den Herrn, der seiner Kirche verheißen hat, bei ihr zu sein bis zum Ende der Welt, erbitte ich Euch und Ihnen allen den Segen des dreifaltigen Gottes,
des + Vaters und des + Sohnes
und des + Heiligen Geistes.

Gegeben zu Regensburg,
am Aschermittwoch im Jahr des Heils 2013

+ Rudolf
Bischof von Regensburg