Impuls vom 05.04.2013

Schmetterlingsreliquiar

Osternacht am 30. März 2013 im Dom St. Peter in Regensburg
Predigt von Bischof Rudolf Voderholzer
und Gebet zum Schmetterlingsreliquiar

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn hier im Dom zu Regensburg und an den Fernsehschirmen, die Sie uns in dieser Osternacht zugeschaltet sind!
Die Botschaft der Osternacht haut einen erst einmal um! Erschrecken, Verwirrung, Ratlosigkeit, Verwunderung sind die Reaktionen der Frauen und der Apostel, die uns der Lukas-Evangelist überliefert.
Obwohl sie der Herr durch entsprechende Ankündigungen vorbereitet hatte, und obwohl Engel ihnen das Geschehen deuten, können die Jüngerinnen und Jünger die Auferstehung Jesu erst einmal nicht fassen.
Das ist nicht verwunderlich. Der Tod ist nach all unserer Erfahrung unerbittlich und unwiderruflich. Wer wäre nicht schon am Totenbett eines lieben Menschen oder an einem frischen Grab gestanden und hätte nichts sehnlicher gewünscht, als dass die Zeit zurückgedreht und der Tote noch einmal die Augen aufmacht und spricht. So etwas kommt nicht vor in unserer alltäglichen Erfahrungswelt.
Nun bedeutet Auferstehung Jesu nicht, dass er ins bisherige Leben zurückgekehrt ist. Die Auferweckung Jesu ist nicht die Wiederbelebung eines Leichnams, sondern der Durchbruch des endgültigen und unzerstörbaren Lebens. Den Menschen, die Jesus während seines irdischen Wirkens wieder zum Leben erweckte, musste er zumuten, ein
zweites Mal zu sterben: Lazarus, der Jüngling von Nain, die Tochter des Jairus. Bei Jesus ist es anders: Einmal auferweckt, stirbt er nicht wieder. Seine Auferweckung ist eine radikale Verwandlung. Doch: Wie darüber reden? Wie das verstehen?
Die Christen aller Zeiten haben immer wieder versucht, durch Bilder und Vergleiche wenigstens Annäherungen an dieses letztlich unbegreifliche Geschehen zu finden.
Eines der schönsten und eingängigsten Bilder für die österliche Verwandlung ist ein Schauspiel, das sich im Frühjahr und Sommer in der Natur unzählige Male ereignet: Die Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling. Eine Raupe, unansehnlich und von der Schwerkraft unten gehalten, entpuppt sich und wird zu einem farbenprächtigen Schmetterling, der sich in die Luft erheben und von Blüte zu Blüte schweben kann. Der Schmetterling, zunächst eingesperrt in die Dunkelheit der Raupenhülle, durchstößt seine enge Lebenswelt und bricht auf in die neue Dimension voll Licht und Farben!
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Lange bevor ich das Amt des Bischofs von Regensburg übertragen bekommen habe, wusste ich darum, dass es in Regensburg ein wunderbares Kleinod christlicher Kunst und ein herrliches Zeugnis des Auferstehungsglaubens aus dem Mittelalter gibt, das den Schmetterling aufgreift. Es handelt sich um das kostbare kleine Reliquiar in Gestalt eines Schmetterlings, das im Haupt des Gekreuzigten in der Schottenkirche eingefügt war und vor einigen Jahren bei der Restaurierung des Kreuzes wieder entdeckt worden ist. Ich habe darum gebeten, dieses wunderbare Stück vorsichtig aus unserer Schatzkammer herauszuholen und ich freue mich außerordentlich, dass es uns bei der ersten Osternacht, die ich hier im Dom zu Regensburg feiern darf, seine Osterbotschaft ausrichtet.
Wenn wir es genauer anschauen, sehen wir, dass es den Schmetterling mit dem Kreuz verbindet. Die am Kreuz ausgebreiteten Arme des Herrn weiten sich in die Flügel des Schmetterlings. Unter dem Kreuz stehen, von den leuchtenden Farben Blau und Grün, also des Glaubens und der Hoffnung umgeben, Maria und Johannes unter dem Kreuz.
Ostern heißt: Gott selbst verwandelt das Kreuz, ursprünglich Zeichen der Grausamkeit des Menschen, in das Zeichen der göttlichen Liebe.
Die am Kreuz schmerzhaft auseinandergerissenen Arme des Herrn weiten sich zur Umarmung der ganzen Schöpfung.
Die Finsternis des Todes wird von innen her aufgehellt und vom österlichen Licht umfangen.
Von all dem spricht der Schmetterling!
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Auch heuer wird es einmal Frühling werden, auch wenn uns der Winter ungewöhnlich lange im Griff hat. Freuen Sie sich auf die ersten Schmetterlinge und die ersten Blüten, die wir nun hoffentlich bald werden sehen dürfen! Lassen Sie sich vom Schmetterling die Botschaft von der Verwandlung nahe bringen! Von einer Verwandlung freilich, die alle irdisch und natürlich erfahrbaren Verwandlungen noch einmal überschreitet: Christus ist auferstanden von den Toten und hat uns ein Leben erschlossen, das keinen Herbst, keine Verwesung, keinen Tod mehr kennen wird.
Liebe Taufbewerberinnen und Taufbewerber! In der Taufe werden Sie jetzt gleich in einer besonders intensiven Weise in diese Verwandlung aufgenommen. Getauft werden heißt: mit Christus sterben und mit ihm zum neuen und unzerstörbaren Leben auferstehen. Das ewige Leben beginnt nicht erst in der Stunde des Todes, es gründet in der Begegnung mit Christus und bricht hier und jetzt an.
Der Heilige Geist will uns Flügel schenken, damit wir unsere Herzen und Gedanken zu Gott erheben. In der heiligen Eucharistie verschenkt sich der Herr selber an uns. Mit dem eucharistischen Brot ist es nicht wie mit der irdischen Speise. Diese verwandeln wir in uns. Christus im Brot des Lebens verwandelt uns in sich.
Liebe Schwestern und Brüder im gemeinsamen Glauben an den verwandelten und verwandelnden Herrn: freuen Sie sich jeden Tag darüber, dass uns der Heilige Geist gleichsam Flügel verleiht und fähig macht, die Liebe Gottes anzunehmen, zu erwidern und zu teilen. Und wenn Sie in den nächsten Monaten einen Schmetterling sehen, dann denken sie an die verwandelnde Kraft der Natur und die viel größere verwandelnde Kraft dessen, der Sie erschaffen und erlöst hat. Er will uns alle verwandeln. Amen.

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Wenn ich gefangen bin in den Dunkelheiten des Alltags, Gott,
lass mich überrascht werden von der Hoffnung.
Wenn ich mich selbst verschließe und niemanden
an mich heranlasse, lass mich Nähe und Wärme spüren.
Wenn die vielen Toden mich umgeben
– der Tod einer Beziehung, der Tod meiner Gefühle,
oder eine zerstörte Hoffnung –,
dann, Gott, wirke das Wunder, verwandle mich,
und lass mich auferstehen zum neuen Leben.
(vom Gebetsbild des Bischöfl. Seelsorgeamtes Regensburg zum Schmetterlingssreliquiar)


Quelle: http://www.bistum-regensburg.de/download/borMedia1824005.PDF