Impuls vom 25.01.2009

Ach übrigens, lieber Paulus ...

Ach übrigens, lieber Paulus, ...

... müssen wir Christen uns wohl bei dir für die unglückliche Wortwahl in unserem Heiligenkalender entschuldigen: Da steht heute "Bekehrung des Apostels Paulus" auf dem Programm. Damit wird auf dein "Damaskuserlebnis" angespielt, von dem du selbst erzählst: Ein Wanderrabbi und Zeltmacher seist du gewesen, ein wenig fanatisch, führend beteiligt an den ersten Auseinandersetzungen zwischen dem traditionellen Judentum und jener Minderheit, die in deinem gekreuzigten Kollegen, dem Rabbi Jesus, den Messias sah, den verheißenen Erlöser.

Vor Damaskus dann plötzlich die Erkenntnis (sie wird schon länger im Stillen gereift sein): Es stimmt, Jesus ist der Befreier! Eine ruhige Sicherheit: Das ist der Mensch, in dem Gott sich uns gezeigt hat, voller Liebe und Leidenschaft. Ein stürmisch aufgebrochenes Vertrauen: An Jesus will ich mich halten, von ihm will ich erzählen. Das hast du dann auch getan, glücklich und nachdenklich, auf deinen Reisen durch die ganze römische Welt und in deinen tiefgründigen Briefen an die jungen Christengemeinden, die heute noch im Gottesdienst gelesen werden.

Aber Bekehrung? Das klingt, als seist du vorher, als frommer Jude und Gegner der Christensekte, ein Lump gewesen und dann plötzlich, durch irgendein merkwürdiges Erlebnis, doch noch ein anständiger Mensch geworden. Aber das stimmt ja nicht. Gläubig, an Gott interessiert, auf der Suche nach einem letzten Sinn warst du auch vorher schon. Vielleicht auf eine engherzige, ängstliche Weise, Menschen ausgrenzend und verfolgend, die ihren eigenen Weg zu Gott gehen wollten.
Nein, damals vor den Toren von Damaskus hast du keinen neuen Gott gefunden - aber einen besseren Weg zu dem alten Gott, den du immer schon geliebt hast. In denen, die du zuerst verfolgtest, aus Sorge um die Tradition, aus Scheu vor einer neuen Sicht der Dinge, hast du deine Geschwister entdeckt. Und im Rabbi Jesus, den du einst wegen seines Anspruches fürchtetest, auf den du vielleicht auch eifersüchtig warst wegen seiner unbefangenen Nähe zu Gott, erblicktest du nun staunend Gottes menschliches Gesicht.

Staunen - das ist wohl der Punkt. Du hast den Mut gehabt, dich überraschen zu lassen, dich zu öffnen, den Blick zu weiten. Vielleicht heißt "Glauben" genau das: Nicht mehr nur selbst finden wollen, sondern sich finden lassen.


(aus: Christian Feldmann, Kämpfer - Träumer - Lebenskünstler. Große Gestalten und Heilige für jeden Tag)