Impuls vom 23.11.2014

Letztes Gericht

Wenn das Kirchenjahr zu Ende geht, bekommt die Liturgie einen ganz eigentümlichen Ernst. Da geht es um den Tod und das Ende von allem- da geht es um das letzte Gericht über uns Menschen und die endgültige Scheidung: um das "Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid", aber eben auch um das "Weg von mir, ihr Verfluchten"!

Berührt uns das? - Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob uns diese Botschaft tatsächlich noch erreicht – nicht nur, weil wir sehr geübt darin sind, vom Glauben und vom Evangelium nur das zu hören und anzunehmen, was uns momentan in den Kram passt. Sondern auch, weil das alles nur schwer zu der Welt zu passen scheint, in der wir leben.

Mir ist das vor ein paar Wochen in einer Fortbildung aufgegangen. Da hat der Referent sehr engagiert über diese Themen gesprochen, vor allem über die Endzeitbilder der Offenbarung des Johannes, also die apokalyptischen Reiter, Not und Verfolgung, Seuchen und Krieg – und die sehnsüchtige Hoffnung, dass endlich Gottes Gericht hereinbricht. Und wir Teilnehmer haben endlos Zwischenfragen gestellt, die immer die gleiche Tendenz hatten: Geht uns das tatsächlich etwas an? Da sagte der Professor: Schauen Sie, letzten Monat habe ich den gleichen Vortrag vor ihren Kollegen aus Afrika gehalten. Und die haben gesagt: Ja, das ist unsere Welt. Das ist das Chaos und die Not, in der unsere Familien leben. Und das ist die große Hoffnung unsere Leute: Dass Gott endlich einmal dazwischen fährt und für Gerechtigkeit sorgt.

Diese Hoffnung haben wir nicht, jedenfalls nicht in gleicher Weise. Da geht’s uns viel zu gut. Für den, der es gewohnt ist, in großer Sicherheit und Wohlstand zu leben, besteht leider fast zwangsläufig die größte "Gerechtigkeit" darin, dass das doch bitte so zu bleiben habe. Was lassen uns nicht gerne beurteilen, auch nicht, sollte es ihn denn geben, vom lieben Gott. Und gestorben wird ja sowie immer erst später …

Ich denke mir manchmal: Ist es da nicht ein Segen, dass sich diese beiden Welten – die unsere und die der Menschen, denen es viel viel schlechter geht – nun doch wieder mehr berühren? Sie tun es in Gestalt der vielen tausend Männer, Frauen und Kinder, die als Flüchtlinge und Asylsuchende zu uns kommen, auch zu uns nach Geisenfeld. Natürlich ist das nicht die ideale Lösung, sondern bringt viele Probleme mit sich. Aber vielleicht ist das auch – ich sag" das einfach mal so in meiner naiven Spiritualität – vielleicht ist das auch eine Gnade Gottes, damit wir ein bisschen aufgeschreckt werden aus unserer Selbstgefälligkeit und unserem "Christentum auf Sparflamme", damit sich die Geister wieder ein bisschen mehr scheiden, damit wir wieder ein bisschen mehr wissen, wozu wir eigentlich da sind auf dieser Erde. Aus der Sicht unseres Herrn Jesus Christus nämlich sicher nicht, um uns möglichst abzugrenzen, damit wir es uns schön gemütlich machen können …

Seine Vorgabe ist so klar wie nur irgendwas (Mt 25): "Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt …. wird er sagen: … Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben- ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen- ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben." Oder eben auch: "Ich war fremd … und ihr habt mich nicht aufgenommen".

Das ist das Kriterium Jesu Christi. Da scheiden sich die Geister. Und da bekommt der Gedanke vom Letzten Gericht auch wieder seine Bedeutung.
Benedikt XVI., unser papa emeritus, hat es einmal sehr schön so zusammengefasst:
"Das Bild des Letzten Gerichts ist zuallererst nicht ein Schreckensbild, sondern ein Bild der Hoffnung, für uns vielleicht sogar das entscheidende Hoffnungsbild. Aber ist es nicht doch auch ein Bild der Furcht? Ich würde sagen: ein Bild der Verantwortung.... Gott ist Gerechtigkeit und schafft Gerechtigkeit. Das ist unser Trost und unsere Hoffnung. Aber in seiner Gerechtigkeit ist zugleich Gnade. Das wissen wir durch den Blick auf den gekreuzigten und auferstandenen Christus. Beides – Gerechtigkeit und Gnade – muss in seiner rechten inneren Verbindung gesehen werden. Die Gnade löscht die Gerechtigkeit nicht aus. Sie macht das Unrecht nicht zu Recht. Sie ist nicht ein Schwamm, der alles wegwischt, so dass am Ende dann eben doch alles gleich gültig wird, was einer auf Erden getan hat. … Die Missetäter sitzen am Ende nicht neben den Opfern in gleicher Weise an der Tafel des himmlischen Hochzeitsmahles, als ob nichts gewesen wäre." (SPE SALVI 44)