Impuls vom 11.12.2014

Gotteslob-Engel

Das neue Gotteslob, das nun in allen Diözesen eingeführt ist, bringt mit seinen vielen Liedern und Gebeten ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten mit sich, allerdings für viele Gemeinden auch ein Problem: Wohin mit den alten Büchern? Zum Singen und Beten wird man sie kaum noch verwenden- einfach wegwerfen mag man sie, soweit sie gut erhalten sind, aber auch nicht. So wurde das ausgediente Gotteslob in vielen Gruppen und Pfarreien zum Bastelmaterial umfunktioniert. Vor allem der Vorschlag, aus den Seiten Engel zu falten, wurde gern aufgegriffen. Über hundert Stück hat bei uns der Pfarrgemeinderat (Sachausschuss Senioren) für die Seniorenrunde gemacht, weitere die Ministranten für den Missionsmarkt. So mancher Christbaum wird heuer mit einem "Gotteslob-Engel" geschmückt sein!

Das Kunstwort trifft die Sache ziemlich gut: Gotteslob-Engel. Denn schon in der Bibel ist das ihre erste "Aufgabe": "Lobt den Herrn, all seine Engel" (Ps 148,2). Auch in der Weihnachtsgeschichte heißt es: "Plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade." (Lk 2,13f.). Das war, wenn man so will, das erste Weihnachtslied, in das wir an den kommenden Festtagen mit einstimmen dürfen. Was könnten wir schließlich an Weihnachten Besseres tun! Gott ist Mensch geworden – wie viele kluge Bücher haben Theologen darüber geschrieben, wie viele Weihnachtspredigten haben das schon zu erklären gesucht. Aber wie Franz Kamphaus in einem schönen Wortspiel sagt: Letztlich ist das – wie die Liebe – unbegreiflich. Man kann sich davon nur er-greifen lassen. Und wer ergriffen ist, wem, wie das Sprichwort sagt, das Herz voll ist, dem geht über der Mund – und er fängt zum Singen an.
Darum gehört Singen und Musik zu Weihnachten unbedingt mit dazu. Selbst diejenigen, die nie ein Gesangbuch mit in die Kirchenbank nehmen, erfreuen sich an festlicher Kirchenmusik und bewegen vielleicht beim "Stille Nacht" leise die Lippen. Wie schön wäre es, wenn der Gotteslob-Engel sie ermuntern könnte, auch einmal selbst zum Gotteslob zu greifen: es als Buch in die Hand zu nehmen und damit die Sache in ihr Herz: "Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Engel in Chören, singet dem Herren, dem Heiland der Menschen, zu Ehren! Sehet doch da: Gott will so freundlich und nah zu den Verlornen sich kehren." (GL 252) Wer so singt, ist dem Geheimnis von Weihnachten näher als mit vielen anderen Dingen, die wir in diesen Tagen veranstalten.

Auch noch etwas anderes kann uns der Gotteslob-Engel sagen: "Engel loben, sie meckern nicht". So prägnant hat es Franz Kamphaus einmal formuliert und hinzugefügt: "Ob das chronische Jammern über die schlechten Zeiten der Grund ist, weshalb vielen das Loben abhanden gekommen ist?" Schlecht sind die Zeiten bei uns sicher nicht, ganz anders als in vielen Gegenden dieser Erde, die von Armut, Gewalt und Ungerechtigkeit geplagt sind. Man muss sich nur einmal mit einem der vielen Flüchtlinge unterhalten, die momentan zu uns kommen, um zu erkennen, wie gut es uns (trotz aller Schattenseiten, die es natürlich auch in unserer Gesellschaft gibt) doch geht. Da könnte das Gotteslob uns ein wenig – gleichsam wie Engelsflügel – über unsere allzu kleinkarierte, letztlich sehr egoistische Perspektive hinaustragen und uns die Welt ein wenig weiter machen. So entstünde mehr Platz für Dankbarkeit und für Solidarität mit den Armen und Verfolgten.

Ein kleiner Engel, aus den Seiten des Gotteslobs gefaltet, kann uns also an so manches erinnern. Ich werde ihn mir heuer sehr bewusst an den Christbaum hängen. Und mich über alle freuen, die in der Christmette beim neu aufgenommenen Lied des Gotteslobs lautstark mitsingen: "Christ, der Retter, stieg hernieder, der sein Volk von Schuld befreit, und der Engel Dankeslieder künden uns die Gnadenzeit. Gloria in excelsis Deo!" (GL 250/3)