Impuls vom 11.01.2017

Das Kind wächst (in dir)

Das Kind wächst (in dir)

"Das Kind wuchs heran und wurde kräftig."
Das Jesuskind wachsen und kräftig werden lassen heißt,
sich vom Stall und von der Krippe zu verabschieden,
denn beides passt nicht mehr zum heranwachsenden Jesus.
Gerade wenn man glaubt, angekommen zu sein,
wird man wieder weggeschickt:
Bei der Krippe ist keine Bleibe,
beim Kreuz nicht,
im Abendmahlssaal nicht
und auch im Garten des Ostermorgens nicht.
Immer wieder werden Menschen weitergeschickt.
Wir sind eine Religion des Weges,
Nachfolge ist etwas Dynamisches, nichts Festgelegtes.
Glaubhaft sind wir nur dann,
wenn auch wir uns weiterschicken lassen,
unseren Glauben, unsere Kirchen und unser Leben
vor Entwicklungen nicht verschließen.

"Das Kind wuchs heran und wurde kräftig."
Es wird selbständig, geht seine eigenen Wege,
lässt sich nicht so leicht beeinflussen
und für eigene Interessen vereinnahmen.
Beim geschriebenen Evangelium
sagen wir dazu mit dem Abstand der Zeit:
Gott sei Dank.
Denn so viele dieser herrlich Mut machenden,
buchstäblich Wunder-vollen Geschichten
wären sonst nicht zu uns gedrungen:
die Brotvermehrung, die Heilungen,
die tröstlichen Seligpreisungen.
Ein Mann, der nicht
seine eigenen Wege gegangen wäre,
der eben nicht anders als die Schriftgelehrten gelehrt hätte,
der wäre namen- und bedeutungslos
untergegangen wie all die anderen,
von denen heute niemand mehr weiß und spricht.
Im Blick auf unsere Gegenwart
und unsere persönliche Lebensgeschichte
sieht das anders aus.
Jesus heranwachsen und kräftig werden lassen, heißt:
Da entzieht sich mir einer,
bereitet mir Unverständnis, tut mir weh, verändert mich.
Heranwachsende stellen ihre Umgebung,
ihre Familie in Frage -
verändern sie, verursachen Schmerzen.

"Das Kind wuchs heran und wurde kräftig."
Wenn Jesus uns nicht auch weh tut,
halten wir ihn uns klein und bedeutungslos,
ähnlich dem Krippenkind, das wir sorgfältig wieder einpacken
und Jahr für Jahr zum kurzen Anschauen hervorholen.

"Das Kind wuchs heran und wurde kräftig."
Es lädt uns ein, mitzuwachsen und kräftig zu werden.

(Bernd Mönkebüscher)


aus: Bernd Mönkebüscher, ... und wickelte ihn in Lumpen und Liebe. Neue Blicke auf Weihnachten,Echter Verlag Würzburg 2014, S. 75f.