Impuls vom 24.12.2017

Das Fest aller Feste

Weihnachten ist Epiphanie – Erscheinen Gottes und seines großen Lichtes in einem Kind, das uns geboren wurde. Geboren im Stall zu Bethlehem, nicht in den Palästen der Könige. Als im Jahr 1223 Franz von Assisi in Greccio Weihnachten feierte mit Ochs und Esel und mit einer heugefüllten Futterkrippe, ist eine neue Dimension des Geheimnisses von Weihnachten sichtbar geworden. Franz von Assisi hat Weihnachten "das Fest aller Feste" genannt – mehr als alle anderen Feste – und es mit "unaussprechlicher Hingebung" gefeiert (2 Celano 199: FF 787). Er küßte voller Hingebung die Bilder des Kindleins und stammelte zärtliche Worte, wie Kinder es tun, erzählt uns Thomas von Celano (ebd.). Für die alte Kirche war Ostern das Fest der Feste: In der Auferstehung hatte Christus die Türen des Todes aufgestoßen und so die Welt von Grund auf verändert: Für den Menschen hatte er in Gott selbst Platz geschaffen. Nun, Franziskus hat diese objektive Rangordnung der Feste, die innere Struktur des Glaubens mit seiner Mitte im Ostergeheimnis nicht geändert, nicht ändern wollen. Aber etwas Neues ist dennoch durch ihn und seine Weise des Glaubens geschehen: Franz hat in einer ganz neuen Tiefe das Menschsein Jesu entdeckt. Dieses Menschsein Gottes wurde ihm am meisten sichtbar in dem Augenblick, in dem Gottes Sohn als Kind aus der Jungfrau Maria geboren, in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt worden war. Die Auferstehung setzt die Menschwerdung voraus. Gottes Sohn als Kind, als wirkliches Menschenkind – das hat das Herz des Heiligen von Assisi zuinnerst getroffen und Glaube zu Liebe werden lassen. "Erschienen ist uns die Menschenfreundlichkeit Gottes" – dieser Satz des heiligen Paulus hatte nun eine ganz neue Tiefe bekommen. Man kann Gott sozusagen in dem Kind im Stall zu Bethlehem anfassen, liebkosen. So hat das Kirchenjahr eine zweite Mitte erhalten in einem Fest, das vor allem Fest des Herzens ist.

All dies hat nichts von Sentimentalität an sich. Gerade in der neuen Erfahrung der Wirklichkeit von Jesu Menschsein wird das große Mysterium des Glaubens offenbar. Franziskus liebte Jesus, das Kind, weil ihm in diesem Kindsein die Demut Gottes aufging. Gott ist arm geworden. Sein Sohn wurde in der Armut des Stalles geboren. Im Kind Jesus hatte Gott sich abhängig gemacht, der Liebe von Menschen bedürftig, um ihre – um unsere – Liebe bittend. Heute ist Weihnachten zu einem Fest der Geschäfte geworden, deren greller Glanz das Geheimnis der Demut Gottes verdeckt, die uns zur Demut und zur Einfachheit einlädt. Bitten wir den Herrn darum, daß er uns hilft, durch die glänzenden Fassaden dieser Zeit hindurchzuschauen bis zu dem Kind im Stall zu Bethlehem, um so die wahre Freude und das wirkliche Licht zu entdecken.


(Papst Benedikt XVI.)