Impuls vom 26.02.2018

Abraham - Vater im Glauben

Hirtenbrief des Bischofs von Regensburg
zur Österlichen Bußzeit 2018

"Abraham – Vater im Glauben"

(2. Fastensonntag – Lesejahr B – 1. Lesung: Gen 22,1-2.9a.10-13.15-18)



Liebe Kinder,
liebe jugendliche und erwachsene
Schwestern und Brüder im Herrn!

1. Die Fastenzeit, in der wir uns jetzt wieder auf Ostern vorbereiten, dient vor allem der Stärkung unseres Glaubens. Sie gibt uns Gelegenheit, unsere Beziehung zu Gott und unser Gebetsleben zu vertiefen.
Anregungen dazu bieten uns die Schriftlesungen der Liturgie, vor allem der Sonntage. So haben wir heute in der ersten Lesung einen der bedeutendsten Texte des Alten Testaments gehört: Abraham besteht die Erprobung seines Glaubens durch Gott.
2. Vielleicht hat mancher von Ihnen beim Hören still gedacht: Muss man wirklich eine dem ersten Eindruck nach so schlimme Geschichte heute noch verkünden? Ist das wirklich der barmherzige Gott, an den wir Christen glauben?
Schauen wir ein wenig genauer hin! Zunächst sollte klar sein, dass es nicht um einen Mordbefehl geht. Während in manchen Kulturen im Umfeld Israels damals tatsächlich Menschenopfer dargebracht wurden, wird das Opfer hier dagegen von Gott vereitelt. Aber es geht um mehr: Es geht um den Glauben Abrahams.
3. Nicht nur für uns Christen ist die Glaubensgeschichte Abrahams von großer Bedeutung.
Für unsere älteren Geschwister aus dem Judentum ist die "Bindung Isaaks", wie sie diese Geschichte nennen, Ausdruck der vorbildlichen Haltung Abrahams Gott gegenüber. Er wird für seinen Glauben belohnt.
Und in der Überlieferung des Koran ist die bestandene Glaubensprobe Abrahams für die Muslime gar der Anlass für das große Fest zum Höhepunkt der Mekkawallfahrt: das "Opferfest". In Abraham schaut der Muslim den vollendet Glaubenden.

4. Liebe Mitchristen! Für ein richtiges Verständnis dieser schwierigen Stelle müssen wir uns die Zusammenhänge vorstellen: Abraham hatte mit seiner Frau Sara durch Gottes Gnade noch in hohem Alter einen Sohn geschenkt bekommen. Sein Name ist Isaak. In diesem Isaak ist die Voraussetzung dafür gegeben, dass Gott seine alte Verheißung an Abraham doch noch erfüllen kann: Er werde Stammvater eines Volkes werden, das so zahlreich ist, wie die Sterne am Himmel- so zahlreich, wie der Sand am Ufer des Meeres.

5. Und jetzt das! Abraham erhält von Gott den Auftrag, diesen ihren einzigen Sohn zu opfern, ihn Gott zurückzugeben. Auch wenn ihm Gott unbegreiflich erscheint: Auf sein Wort hin macht sich Abraham mit Isaak auf den Weg zum Berg Morija. Unerschütterlich hält er fest an Gottes Treue. Die kunstvoll gestaltete Erzählung erhöht durch Verlangsamung am Ende die Spannung. Abraham ist bereit, mit Isaak auch seine Zukunft und die Erfüllung der Verheißungen ganz Gott anheim zu stellen. Trotz einer für ihn undurchschaubaren Situation lässt Abraham nicht ab vom Vertrauen darauf, dass Gott seine Verheißung erfüllen wird. Und tatsächlich verhindert Gott die Opferung des Jungen und erweist sich als der Gott, der Zukunft schenkt.

6. Wie haben nun die frühen Christen diese Erzählung gelesen? Der Hebräerbrief des Neuen Testaments erkennt in Abraham einen Zeugen der Auferstehungshoffnung: Denn Abraham – so heißt es da – "verließ sich darauf, dass Gott sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken- darum erhielt er Isaak auch zurück. Das ist ein Sinnbild" (Hebr 11,19).
Abraham wird also zum frühen Zeugen des Glaubens an den Gott des Lebens, der die Toten auferwecken kann und auferwecken wird. Gerade so wird er auch für uns Christen zum Vater im Glauben.

7. Liebe Mitchristen! Die Erzählung von der Erprobung Abrahams wirft auch ein klärendes Licht auf die Diskussion über die sechste Vaterunser-Bitte: "Und führe uns nicht in Versuchung" (Mt 6,13- Lk 11,4). Denn wir sehen, dass beim Wort "Versuchung" zwei Bedeutungen unterschieden werden müssen, und zwar im Hinblick auf das Ziel, auf das, wozu die Versuchung geschieht.
Da ist einmal die Verführung zur Sünde. Dies kann Gott niemals wollen, und so wird Gott auch niemand in Versuchung führen.
Da ist aber auch die zweite Bedeutung: Erprobung mit dem Ziel der Reifung, mit dem Ziel, im Glauben über sich hinauszuwachsen und Gott noch einmal ganz neu und tiefer zu begegnen.
Dies hat Gott dem Abraham zugemutet. Abraham hat die Prüfung bestanden. Er wuchs über sich selbst hinaus. So wurde er zum Zeugen eines Glaubens, der über das Alte Testament hinausgreift und die christliche Auferstehungsbotschaft vorwegnimmt.
8. Die geistliche Tradition der Kirche weiß um diese große Bedeutung der Prüfungen für das Glaubensleben. Im Alten Testament wird mehrfach die positive Funktion von Versuchung oder Anfechtung beschrieben. Im Buch Jesus Sirach steht geschrieben: "Der nicht in Versuchung geführt wurde, weiß wenig" (Sir 34,10a LXX). Diese Formen der Versuchung gehören zum Reifen, zum Erwachsenwerden des Menschen, gerade auch zum Wachsen des Glaubens.

9. So wird auch deutlich: Versuchung ist nicht die Tafel Schokolade. Versuchung ist vor allem die Herausforderung für den Glauben. Das kann eine Krankheit sein, Misserfolg, oder auch der lebhaft erfahrene Widerstand und öffentlicher Spott gegen den Glauben.
Die vermutlich größte Glaubensprüfung besteht in der Verfolgung um des Glaubens willen. Weltweit sind derzeit mehr Christen von Verfolgung bedroht als jemals zuvor!

10. In der Kirchengeschichte sind es immer wieder die Heiligen, denen Gott oft schwere Prüfungen zumutet. Schauen wir nur auf die heilige Anna Schäffer aus Mindelstetten. Sie musste ringen, bis sie ihr schweres Leiden und die Durchkreuzung ihres Lebensplanes annehmen konnte. Gerade darin aber ist sie zur Heiligen gereift.
Jeder, der schon eine schwere Krankheit, den Verlust eines lieben Menschen oder eine andere schmerzliche Erfahrung gut verarbeiten konnte, wird bestätigen können, dass es ihn im Glauben vorangebracht hat.
11. So gesehen kann man der Versuchung etwas Positives abgewinnen und sie sogar als Teil göttlicher Erziehungskunst einordnen. Jedenfalls ist es nicht von Vornherein ausgeschlossen, dass Gott einem diesen Weg der Reifung zumuten kann.

12. Schon am letzten Sonntag haben wir im Evangelium gehört, dass Jesus Christus selbst für uns alle Versuchungen und Glaubensprüfungen bestanden hat. Im Blick auf ihn und an seiner Hand dürfen wir zuversichtlich sein, dass wir auch an den Prüfungen unseres Lebens nicht zerbrechen, sondern durch sie reifen und erwachsener werden im Glauben.

13. Der Widder, den Abraham schließlich zum Opfer darbringt, verweist auf Jesus, in dem uns Gott der Vater seinen Sohn schenkt. Auch im heutigen Evangelium geschieht dies durch die Stimme des Vaters: "Dieser ist mein geliebter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören" (Mk 9,7).

14. Wenn wir dies tun, stellen wir fest: Jesus trägt uns auf, demütig zu sein. Die sechste Vaterunser-Bitte "Und führe uns nicht in Versuchung" unterstellt nicht Gott etwas Böses, sondern mahnt uns zur Zurückhaltung. Niemand soll sich die Prüfungen wünschen und sich in geistlicher Überheblichkeit übernehmen. Das Vaterunser zu beten, besagt auch: Vater, bringe mich bitte nicht in die Versuchung des Abraham. Und lass bitte die Not nicht so groß werden, dass sie mich nicht mehr beten, sondern fluchen lehrt.

15. Der Apostel Paulus tröstet und stärkt uns mit der Zusicherung: "Gott ist treu- er wird nicht zulassen, dass ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet. Er wird euch in der Versuchung einen Ausweg schaffen, so dass ihr sie bestehen könnt" (1 Kor 10,13).

Dazu segne und begleite Sie auf Ihrem Glaubensweg der dreifaltige Gott, der + Vater und + der Sohn und + der Heilige Geist.

Regensburg am 2. Fastensonntag im Jahr des Herrn 2018
+ Rudolf
Bischof von Regensburg