Impuls vom 20.01.2019

»Gerechtigkeit, Gerechtigkeit – ihr sollst du nachjagen«

Als heiliges Volk Gottes stehen auch wir immer davor, in das vom Herrn verheißene Reich einzutreten. Weil wir aber getrennt sind, müssen wir uns an den Aufruf zur Gerechtigkeit erinnern, den Gott an uns richtet. Auch unter Christen besteht die Gefahr, dass die Logik vorherrscht, welche die Israeliten in vergangener Zeit und die Indonesier heutzutage erfahren haben, nämlich dass wir über dem Versuch, Reichtümer anzuhäufen, die Schwachen und Notleidenden vergessen. Leicht kann man unsere grundlegende Gleichheit vergessen: Ursprünglich waren wir alle Knechte der Sünde; der Herr hat uns durch die Taufe gerettet und seine Kinder genannt. Leicht kann man glauben, die uns geschenkte geistliche Gnade sei unser Eigentum, etwas, was uns zusteht und uns gehört. Außerdem ist es möglich, dass uns die von Gott geschenkten Gaben blind machen für die Gaben, die er anderen Christen zugeteilt hat. Es ist eine schwere Sünde, die Gaben, die der Herrn anderen Brüdern und Schwestern geschenkt hat, abzuwerten oder zu verachten und zu meinen, diese seien in irgendeiner Weise weniger von Gott bevorzugt. Wenn wir solche Gedanken hegen, lassen wir zu, dass die empfangene Gnade zu einer Quelle von Stolz, Ungerechtigkeit und Spaltung wird. Wie könnten wir so in das verheißene Reich eintreten?

Der Gottesdienst, der diesem Reich entspricht, der Gottesdienst, den die Gerechtigkeit fodert, ist ein Fest, das alle miteinschließt, ein Fest, bei dem die empfangenen Gaben bereitgestellt und geteilt werden. Um die ersten Schritte auf dem Weg zu diesem gelobten Land – zu unserer Einheit – zu gehen, müssen wir vor allem in Demut anerkennen, dass uns die empfangenen Segensgaben nicht von Rechts wegen zustehen, sondern uns als Geschenk zugeteilt wurden. Sie wurden uns gegeben, damit wir sie mit den anderen teilen. Zweitens müssen wir den Wert der Gnade anerkennen, welche anderen christlichen Gemeinschaften gewährt wurde. Dann werden wir den Wunsch verspüren, an den Gaben der anderen teilzuhaben. Ein christliches Volk, das von einem solchem Tausch der Gaben erneuert und bereichert lässt, wird ein Volk sein, das mit festem und zuversichtlichem Schritt auf dem Weg zur Einheit weitergehen kann.

(Papst Franziskus in seiner Predigt zur Gebetswoche für die Einheit der Christen)