Impuls vom 29.07.2011

Vergnügen und Tod

DER KOMMENTAR: VERGNÜGEN UND TOD

Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen, besonders grausam, wenn die Menschen sich einfach nur freuen, entspannen, vergnügen wollen. So beim Attentat auf ein Jugend-Feriencamp in Norwegen oder beim Untergang eines Ausflugsschiffes auf der Wolga. Der bei der Love-Parade in Duisburg von Menschenmassen Zerquetschten wurde soeben wieder erschüttert gedacht. Bei solchen Tragödien sind selbst in religiös entfremdeten Gesellschaften christliche Gebete, Riten weiter öffentlich gefragt.

Das ist eigenartig. Denn das Christentum steht unter Dauerverdacht, leibfeindlich, freudlos zu sein, die Menschen mit Bildern des Leidens - etwa des Kreuzes Christi - unterdrücken zu wollen. Der Glaube mache das Schöne, Lustvolle, Sinnliche sündhaft schlecht, fordere Askese und Buße. Der Vorwurf der Jenseitsvertröstung ist ebenfalls nicht verschwunden. Als Opium des Volkes vernebele das Christentum die Verhältnisse und richte alles darauf aus, dieses "Jammertal" zu verlasssen.
Allerdings drängen sich Gegenfragen auf: Haben wir es in unserer Kultur nicht längst mit manigfacher Diesseitsvertröstung zu tun, etwa im obsessiven Freizeit- und Konsumverhalten? Junge Leute dröhnen sich mit Alkohol und Rauschgift zu, um Party zu machen und das Negative zu vergessen. Der Körperkult mitsamt seiner Fitness- und Gesundheitswahn-Industrie gaukelt die Illusion eines ewigen Lebens im Hier und Jetzt vor. Sogar die Kirchen haben sich streckenweise diesem Realitätsverlust im Wellnesstrip unterworfen mit neuen Geschäftsideen: von Präparaten für Leib und Seele aus Klostergärten, Klosterküchen und Klosterapotheken bis zu Klosterkuren, gern auch für gestrasste Manager.

Dabei hat das Christentum doch Sakramente entwickelt, um die glücklichsten Momente des Daseins wie seine Störungen wirklichkeitsgerecht anzunehmen und liturgisch verdichtet sogar zu feiern: in der Taufe die Freude über die Fruchtbarkeit, die Schöpfung aus dem Nichts- in der Firmung das Staunen über die Geistbegabtheit- in der Eucharistie die Kommunion von Mensch und Gott, Gott und Mensch als Hoffnung auf wahres ewiges Leben- in der Ehe die Lust am Sexuellen und die Geborgenheit in treuer Partnerschaft von Mann und Frau. Die Buße lenkt über die Sündhaftigkeit hinaus zu Barmherzigkeit und Vergebung. In Krankensalbung und "Letzter Ölung" drückt sich das Vertrauen aus, selbst im Ausweglosen von Gott getragen zu sein. Die Erde ist kein jammertal, aber auch kein Vergnügungspark. Gedenke des Todes. Daher beten wir in den festlichsten und schönsten Momenten des Daseins gedenkend auch der Ahnen. Wir feiern die Auferstehung Jesu Christi als unsere Hoffnung, selbst wenn es am schwersten ist.
Realistischer, glückseliger kaqnn Leben, kann Glauben kaum sein.


(in der höchst lesenswerten Wochenzeitschrift: "Christ in der Gegenwart" vom 31. Juli 2011)