Impuls vom 27.03.2010

Ein anderer König

Wer so lebt und liebt wie Jesus, ist Missverständnissen ausgesetzt. Und so richten sich auch falsche Hoffnungen auf ihn: Manche meinten, er würde sie von der damals im Land herrschenden römischen Besatzung befreien. Diese politische Erwartung erfüllte Jesus nicht. Wenn er nur ein solcher Befreier gewesen wäre, dann wäre er heute längst vergessen. Befreier von Besatzungsmächten, anerkannte und verdiente Politiker oder Kirchenführer, erfolgreiche Sportler und berühmte Sänger, große Heiler und Therapeuten hat es zu allen Zeiten gegeben - und sie haben ihre Bedeutung für heute meist verloren.

Das Reich dieses Mannes, der am "Palmsonntag" auf einem Esel nach Jerusalem einzieht, "ist nicht von dieser Welt" (Joh 18,36). Er hat aber die Aufgabe, unsere Kontakte weit über den Tod hinaus in die neue Welt Gottes zu öffnen. Jesus steht - daran denken wir an diesem Fest - am Anfang seines letzten Weges, des Weges in den Tod.

Für Ihre Beziehung mit Gott ist es nicht unwichtig, wer für Sie Jesus Christus ist. Er ist zum Beispiel keiner, der uns die alltäglichen Probleme wegnimmt. Er verhindert und beendet nicht die weltweiten Kriege. Er nimmt uns nicht das Leid, das zu unserem Leben dazugehört. Aber er ist derjenige, der für die Überwindung des Leidens und Sterbens und die Verwandlung unseres Lebens steht und diese uns eröffnet.

In Ihrem Alltag haben Sie möglicherweise schon selbst erlebt, wie brüchig Anerkennung, Ruhm und Ehre sind. Wenn Sie mit Ihrem Kind die Leidensgeschichte Jesu bedenken, können Sie darin vielleicht so manches von Ihren eigenen Leidens- und Kränkungsgeschichten erkennen. Jede einzelne Station unserer eigenen Leidenswege lässt sich wiederfinden, wie etwa die Vergänglichkeit von Ruhm in den Hosianna-Rufen heute und dem morgigen "Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz!" (Lk 23,21).

Die Enttäuschungen, die Jesus erlebt, als seine engsten Freunde seine Not am Ölberg verschlafen, statt ihn zu stärken, und als einer seiner Treuesten aus Angst die Freundschaft mit ihm verrät - diese Enttäuschungen sind an Bitterkeit kaum zu übertreffen. An seinem Tod wirkt Verrat aus den eigenen Reihen mit: ans Messer geliefert durch Menschen, denen er seine Liebe, sein Vertrauen schenkte.

Enttäuschungen, die Menschen auch heute erleben.

Das Schlimmste kommt aber erst noch. Am Ende fühlt Jesus sich auch noch von Gott verlassen (vgl. Mk 15,34). Ebenfalls eine Erfahrung, die viele Menschen in ihren Kreuzwegen von Krankheit und aussichtslosem Schmerz auch heute machen. - Der Weg zur Auferweckung kann schmerzlich und lang sein. Den dunklen Tunnel ohne helles Licht an dessen Ende haben viele Menschen, auch große Heilige, erlebt.

Der Einzug Jesu in Jerusalem, den wir am Palmsonntag feiern, ist Auftakt der leidvollen Zeit bis zu Jesu Tod, den wir am Karfreitag bedenken. Die Karwoche kann eine Chance für Sie sein, sich mit Ihrer eigenen Leidensgeschichte auseinander zu setzen und dadurch Heilung und Erlösung zu erfahren.


(aus: Gott mit neuen Augen sehen. Wege zur Erstkommunion. Familienbuch)